Nicht jeder Mensch mit einem Multiplen Myelom muss sofort behandelt werden.

Wann sollte behandelt werden? 

Eine Behandlung ist in der Regel erst dann erforderlich, wenn eines oder mehrere der folgenden Symptome (sogenannte CRAB-Kriterien) vorliegen:

  • Erhöhte Kalziumkonzentration im Blut
  • Nierenfunktionsstörung (= Niereninsuffizienz) 
  • Blutarmut (= Anämie)
  • Beginnende Knochenzerstörungen

Neuere Empfehlungen sehen eine Behandlung auch dann vor, wenn aufgrund folgender Merkmale Organschädigungen zu erwarten sind (sogenannte SLiM-Kriterien):

  • Hochgradige Ausbreitung von Plasmazellen im Knochenmark (mehr als 60%)
  • Die Menge der freien Leichtketten (Kappa und Lambda) hat ein Verhältnis von 1:100 oder von 100:1, wobei die Konzentration der erhöhten freien Leichtketten mindestens 100mg/l betragen muss.
  • Mehr als eine abgegrenzte Schädigung oder Veränderung des Gewebes (= fokale Läsion) im MRT, die mindestens 5mm oder größer ist

Bei positiven SLiM-Kriterien besteht ebenfalls noch ein Ermessensspielraum für das ärztliche Team: Es gibt Myelom-Erkrankte mit den Kriterien der pathologischen freien Leichtketten, welche über Jahre ohne Progress sind. Solche Patient:innen sind in der Regel nicht zu behandeln.

Auch Menschen mit SMM sind nicht therapiepflichtig, solange keine CRAB- oder SLiM-Kriterien vorliegen. Für das SMM sollte auch immer erfasst werden, in welchem Umfang dieses voranschreitet (= Progressionsdynamik).

Eine Behandlung ist auch erforderlich, wenn durch das Multiple Myelom andere Zeichen der Organschädigung aufgetreten sind (z.B. Blutverdickung, krankhafte Eiweißablagerungen im Gewebe, wiederkehrende bakterielle Infekte).

Wie sollte behandelt werden?

Die Behandlung richtet sich nach dem körperlichen Allgemeinzustand der Erkrankten, aber auch nach Art und Umfang der durch das Multiple Myelom ausgelösten Komplikationen. Standardmäßig besteht die Behandlung von Betroffenen unter 65-70 Jahren und gegebenenfalls auch älteren fitten Patient:innen mit Multiplem Myelom aus einer konventionellen Induktions-Chemotherapie gefolgt von einer intensiveren Chemotherapie mit Blutstammzellgewinnung, an die sich eine Hochdosis-Chemotherapie mit Blutstammzellrückgabe (autologe Stammzelltransplantation) anschließt. Thalidomid, Lenalidomid und Bortezomib werden in Kombination mit anderen konventionellen Substanzen eingesetzt und haben das Spektrum der Behandlungsmöglichkeiten erweitert. Das Hinzufügen von Antikörpern steigert die Effektivität der Therapien deutlich. Zahlreiche neue Medikamente, darunter insbesondere Immuntherapeutika wie Antikörper und CAR-T-Zellen (siehe hierzu auch die KML-Broschüre „CAR-T-Zell-Therapie“), die die Myelomzellen gezielt angreifen können, befinden sich in der klinischen Entwicklung oder sind für die Behandlung des fortgeschrittenen Myeloms bereits zugelassen.

Ältere Patientinnen und Patienten, die nicht für eine Hochdosistherapie mit autologer Stammzelltransplantation geeignet sind, werden vorrangig mit Kombinationstherapien behandelt, die entweder Bortezomib, Lenalidomid, Cyclophosphamid und häufig einen gegen das CD38-Molekül gerichteten Antikörper enthalten. Die Wahl der Substanzen richtet sich nach Vor- oder Begleiterkrankungen (z.B. eingeschränkte Nierentätigkeit, Thrombosen, Neuropathien) des Betroffenen. Großes Potential besitzt die Therapie mit CAR-T-Zellen und bispezifischen, T-Zell-aktivierenden Antikörpern unterschiedlicher biologischer Formen.